15/12/2023
Burgenländische Gemeinschaft: "Ein Paket aus Amerika"
In der Ausgabe "Dezember 2023" der Burgenländischen Gemeinschaft stand wieder ein "Gastkommentar aus der neuen Heimat" von Emmerich Koller. Er wurde in Pornóapáti/Pernau geboren und gehörte der deutschsprachigen Minderheit in Ungarn an bevor seine Familie nach Bildein floh und dann in die USA auswanderte.
---
EMMERICH KOLLER: “EIN PAKET AUS AMERIKA”
During the very difficult years of the early 1950’s, it was like Christmas for us kids whenever we received a package from America with clothes and goodies. The Koller family had a guardian angel in that we never ever expected to see. The angel was a lady who lived in New York, a distant relative we simply called Godmother Bruckner. We children never met her, yet for years she kept sending packages and making us all very happy.
In den sehr kargen frühen fünfziger Jahren war es wie Weihnachten für uns Kinder, wenn wir wieder Mal ein Paket aus Amerika mit Klamotten und Leckereien bekamen. Die Koller-Familie in Pernau hatte einen wahren Schutzengel in jenem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, von dem wir uns damals nie hätten träumen lassen, es einmal zu sehen. Dieser Schutzengel war unsere Bruckner Godl in New York. Sie hätte ebenso gut eine gute Fee sein können, so viel tat sie für uns. Wir sieben Koller-Kinder haben sie nie kennengelernt, und doch schicken sie jahrelang ihre Pakete und machte uns glücklich.
Wenn wieder a Packl auf der Post für uns bereit lag, dann wusste meistens das ganze Dorf schon von der guten Nachricht, bevor wir es erfuhren. Und viele neideten uns dieses Glück. Ich kann kaum die Erregung beschreiben, die mich jedes Mal befiel, wenn die Nachricht eintraf. Alles andere trat in den Hintergrund, bis das Paket abgeholt und dann zu Hause geöffnet wurde. Natürlich waren die Zollbeamten zuerst durch den Inhalt des Paketes gegangen. Sie legten eine Gebühr fest für jeden Bestandteil der Sendung.
Das Paket war meistens ziemlich ramponiert, die kantigen Ecken waren völlig abgerundet nach der langen Schiffsreise und der rohen Behandlung. Beim Postamt in Pernau war das Paket zum zweiten Mal aufgemacht worden, damit der Inhalt dieser fremdländischen Sendung - noch dazu ausgerechnet aus dem Lande des Erzfeindes! - noch einmal gründlich durchstöbert, durchstochert und inspiziert werden konnte, bevor man ihm Einlass gewährte in die exklusive Atmosphäre unseres kommunistischen Paradieses.
Nachdem Vater das Geld für die Gebühr beisammenhatte, was ihm nicht immer leichtfiel, und das Paket dann endlich auf unserem Küchentisch gelandet war, versammelte sich die gesamte Familie darum herum. Sobald es geöffnet war, entströmte ihm der Geruch des Landes, in dem Milch und Honig fließen. Wie der Geist aus der Flasche kam der Duft uns entgegen und umschmeichelte unsere Nasen. Die Erwartung steigerte sich ins schier Unerträgliche: So roch Amerika! Und so musste es, in meiner Vorstellung, im Himmel riechen.
Der Duft kam aus den Kleidungsstücken, die frisch gereinigt oder mit einem wohlriechenden Waschmittel gewaschen worden waren. Sie waren nur sehr wenig getragen worden, von Kindern, die es sich leisten konnten, sie weiterzugeben. So roch Wohlstand! Und zwischen den Kleidungsstücken roch es nach den Süßigkeiten, die da versteckt waren.
Eines nach dem anderen nahm Mutter die Kleidungsstücke heraus, faltete sie auseinander, hob sie hoch zur Begutachtung. Sie beschloss immer gleich auf der Stelle, wer was am besten brauchen könnte von den Hosen, Jacken, Hemden, Röcken, Blusen, Socken, Handschuhen, Mützen. Ab und zu fielen uns dann beim Auseinanderfalten eines Kleidungsstückes ein Hershey Schokoriegel entgegen oder eine Schachtel Rosinen, ein Säckchen saurer Drops, eine Packung Buntstifte. Das waren die Schätze, auf die wir Kinder warteten. Wenn das Paket leer war und all die schönen Sachen aus Amerika bewundert worden waren, wurden einige Süßigkeiten unter uns Kindern aufgeteilt. Den Rest hob Mutter auf. Außer Weihnachten waren das die einigen Gelegenheiten, bei denen wir Kinder Süßigkeiten bekamen. Wie alle Kinder liebten wir Süßes, und so waren die Amerika-Paket-Tage immer glückliche Tage.
Oft habe ich über die Bruckner Godl nachgedacht. Was hat sie wohl dazu motiviert, in regelmäßigen Abständen Kleidung und kleine Geschenke zusammenzustellen, zu verpacken, das Ganze dann zur Post zu bringen? Sie konnte ja - davon bin ich eigentlich überzeugt - gar nicht so genau wissen, welch Riesenfreude sie uns damit bereitete. Das freilich wäre Motivation genug gewesen. Von Mutters Briefen wusste sei jedoch, dass dankbare Kinder im fernen Pernau sie jeden Abend in ihr Gebet einschlossen.
Emmerich Koller, Chicago
www.emmerichkoller.com
---
Um die Zeitung zu abonnieren (15 Euro pro Jahr für 4 Zeitungen) bitte per E-Mail an [email protected] wenden!