21/07/2022
AKW Zwentendorf – ein Atomkraftwerk, das nie Atome spaltete, dafür aber das Land
Wo außer in Niederösterreich gibt es das, ein nie in Betrieb gegangenes Atomkraftwerk das man sogar mit einer Führung besichtigen kann? Die Antwort mag überraschen: nirgendwo sonst. Es ist weltweit einzigartig, ein Alleinstellungsmerkmal.
Ab 1972 wurde das AKW im niederösterreichischen Zwentendorf neben der Donau gebaut, nach vier Jahren war es fertig. Man hätte nur noch den Startknopf drücken müssen. Allerdings regten sich bereits die ersten Stimmen der Atomgegner, die Anti-Atom-Bewegung erfuhr sukzessive einen Aufschwung und spaltete das Land: auf der einen Seite die Atombefürworter (SPÖ-Alleinregierung unter Bruno Kreisky, Wirtschaft und Industrie), auf der anderen die Ablehner. Bruno Kreisky war sich aber sicher, dass die Mehrheit der Österreicher*innen hinter ihm stünde und berief 1978 eine Volksabstimmung ein – mit einem äußerst knappen Ergebnis: 50,47 % der Menschen stimmten mit NEIN, nur etwa 30.000 Stimmen entschieden gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerkes.
Kreisky akzeptierte diese Niederlage, Österreichs Einstieg in die Nutzung der Atomkraft war damit Geschichte. Noch im selben Jahr wurde ein Atomsperrgesetz verabschiedet, dessen Inhalt besagt, dass ohne Zustimmung der Österreicher*innen auch in Zukunft keine Atomkraftwerke im Land gebaut werden dürfen. Nach dem Unglück von Tschernobyl 1986 wurde die Anti-Atom-Bewegung allgemeiner Konsens – bis heute.
Was geschah nun mit dem fertiggestellten AKW? Einige Jahre ging man in einen Konservierungsbetrieb, danach wurden Teile verkauft und die Zivilbevölkerung um Ideen gefragt, was man denn mit dem Gebäude machen sollte. Einige Vorschläge waren doch sehr sonderbar, so wollte z.B. Udo Proksch auf dem Gelände einen „Friedhof der senkrecht Bestatteten“ – Tote, die in Plastikröhren eingeschweißt werden sollten und so für die Hinterbliebenen sichtbar gewesen wären – einrichten. Schlussendlich kaufte die EVN das AKW als Investition für die Zukunft, seit 2007 befindet sich auf dem Gelände eine Photovoltaikanlage, die sauberen Strom produziert. Es ist Ort für Veranstaltungen (ja, man kann hier sogar heiraten), Schulungen (für Mitarbeiter von bauähnlichen AKWs, schließlich kann man hier jeden Ernstfall üben ohne Gefahr von Radioaktivität) und spannenden Führungen. Anmelden kann man sich unter www.zwentendorf.com – eine Zeitreise in die 1970er Jahre und eine einzigartige Möglichkeit bis ins Herz eines Reaktors zu schauen!