15/09/2023
„Flussgeschichten“: Kanutour als Abschluss EZ-Leser schippern über den Neckar
Alexander Maier
Viele Esslinger haben eine besondere Beziehung zum Neckar. Leserinnen und Leser unserer Zeitung haben ihre schönsten „Flussgeschichten“ zu Papier gebracht. Die besten wurden veröffentlicht – zur Belohnung gab’s nun eine Einladung zur Kanutour.
Mark Twain ist am Mississippi groß geworden, und die Liebe zum Wasser hat ihn nie losgelassen. Etwas von jenem Zauber hat der US-Autor 1878 hierzulande wiederentdeckt. „Deutschland ist im Sommer der Gipfel der Schönheit. Aber niemand hat das höchste Ausmaß dieser sanften und friedvollen Schönheit begriffen, wirklich wahrgenommen und genossen, der nicht auf einem Floß den Neckar hinabgefahren ist.“
Mark Twain war damals bei Heidelberg unterwegs, doch die Schönheit des Neckars hätte er auch in Esslingen erleben können. Vielleicht nicht auf jenem Teil des Flusses, der in ein Betonkorsett gezwängt wurde, doch abseits der Bundeswasserstraße zeigt der Neckar eine Schönheit, die selbst Esslinger staunen lässt. Etwas von diesem kleinen Paradies konnten Leserinnen und Leser unserer Zeitung genießen, die ihre „Flussgeschichten“ zu Papier gebracht hatten. Zur Belohnung durften sie nun mit den Kanu-Kapitänen Ralf Weinberger und Kim Raisch in See stechen.
Reise in eine andere Welt
Sandra Kaiser arbeitet ein paar Kilometer neckarabwärts – mit ihrer Kollegin Beate Birnbaum nutzt sie die Mittagspause gerne für einen Spaziergang am Fluss: „Für uns ist der Neckar sehr präsent“, sagte sie während der kleinen Kreuzfahrt. „So schön haben wir den Fluss aber noch nicht erlebt.“ Ralf Weinberger und Kim Raisch kennen den Neckar wie ihre Westentasche. Mit viel Vergnügen schippern die beiden Einheimische und Touristen zu den schönsten Plätzchen entlang des Flusses – und davon gibt es eine ganze Menge. Oberhalb des Neckarfreibads zweigt ein Seitenarm ab, der Weinberger nach all den Jahren immer noch staunen und schwelgen lässt: „Das ist wie eine Reise in eine andere Welt, und ich werde wohl nie aufhören, diese ganz besondere Atmosphäre zu genießen.“ Fernab vom Lärm der nahen Bundesstraße findet man dort eine Ruhe, wie es sie heute nur noch selten gibt. Die Zeit scheint stillzustehen, Pflanzen- und Tierwelt vermitteln dort an manchen unberührten Stellen ein Gefühl, als sei man am Amazonas. „Das hat etwas wunderbar Entschleunigendes“, stellte Sandra Kaiser hinterher fest.
Für unsere Leserinnen und Leser war es ein Vergnügen, diese besondere Stimmung zu erleben. Dafür, dass die kleine Ausfahrt zu einem Genuss für alle Sinne wurde, sorgte Siegfried Nestle, der mit seinen 80 Jahren als „Esslingens ältester Jung-Unternehmer“ eine Genussmanufaktur in der Küferstraße eröffnet hat – und der unsere Leserinnen und Leser unterwegs mit ganz besonderen prickelnden Köstlichkeiten verwöhnte – einschließlich der Geschichten, die sich um diese edlen Tröpfchen ranken.
Vertrautes neu entdeckt
Martin Fuchslocher ist am Neckar aufgewachsen, der Fluss war für ihn in jungen Jahren sein schönster Spielplatz. So manche Anekdote hat er in seiner „Flussgeschichte“ preisgegeben, doch nach der kleinen Kreuzfahrt war er sich mit seiner Ehefrau Bärbel einig: „Auch wenn man schon öfter mal auf dem Neckar unterwegs war, kann man immer wieder etwas Neues entdecken.“ Das ging auch Daniela und Andreas Kirchner so. Die beiden sind in Sirnau aufgewachsen, die Neckarinsel war nachmittgas ihr Revier – und damit auch das alte Wasserkraftwerk bei Flusskilometer 195,6 auf Höhe von Oberesslingen. „Als Kinder sind wir dort unzählige Male gewesen“, erzählt Andreas Kirchner. „Aber wenn man das scheinbar Vertraute aus der Wasserperspektive sieht, wirkt es gleich noch einmal ganz anders.“ Arnold Schumacher hat sich in seiner „Flussgeschichte“ ebenfalls sehr lebendig an früher erinnert: „Der Neckar war für mich in meiner Kindheit immer ein aufregendes Abenteuer.“ Auf der kleinen Kreuzfahrt diskutierte er mit dem Kanu-Kapitän Raisch angeregt über die Pläne, die Schleusen zu verlängern, um mehr Frachtverkehr auf den Fluss zu bringen.
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Brigitta Öztan, die in ihrer „Flussgeschichte“ von ihrer Freundschaft mit einem Schwan berichtet hatte, achtete mit ihrem Ehemann Egemen unterwegs vor allem auf die Tierwelt entlang des Flusses. Da wurde dann an Bord schon mal gefachsimpelt über Nilgänse und die entlang des Neckars rarer werdenden Enten, und über eine Schildkröte, der Kim Raisch und Ralf Weinberger immer mal wieder begegnet sind. Und was die beiden Kanu-Kapitäne unterwegs über Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Neckars erzählten, ließ auch einen Kenner wie Egemen Öztan staunen: „Wir haben ganz viel Neues erfahren.“
Auch über die Wasserqualität des Flusses, die deutlich besser geworden ist, seit Jürgen Kemmner Anfang der 70er Jahre einmal unfreiwillig ein Bad im Neckar nehmen musste, um einen Fußball aus dem Wasser zu holen. Baden würde Kemmner wohl auch heute noch nicht im Neckar, doch mit seiner Ehefrau Elisabeth war er sich hinterher einig: „Es hat großen Spaß gemacht, den Neckar vom Kanu aus ganz anders zu erleben.“ Schon deshalb dürfte es auch im kommenden Jahr wieder eine Leseraktion unserer Zeitung geben. „Dann werden wir uns bestimmt wieder etwas Neues einfallen lassen“, versprach der Chefredakteur Johannes M. Fischer zum Abschied.