25/03/2025
DW Artikel: Iraks ehrgeizige Tourismuspläne: Ein Traum, der wahr wird?
Urlaub in Bagdad? Der Irak will seine Wirtschaft breiter aufstellen und den Tourismus stärken. Während westliche Reisende zuletzt für Schlagzeilen sorgten, könnten arabische Besucher der Branche durchaus Auftrieb geben.
Bagdad im Februar 2025: Der zentrale Saray-Platz, wo Premierminister Mohammed Schia al-Sudani gerade eine Rede über den Tourismus hält, ist von historischen Wahrzeichen umgeben: zwei jahrhundertealte Moscheen, eine der ältesten Universitäten der arabischen Welt, eine 800 Jahre alten Burg, die ältesten Kirche der Stadt und der ehemaligen Regierungssitz aus der osmanischen Zeit.
Doch die Gegend trägt auch die Spuren der jüngeren Geschichte, die Touristen lange fernhielt. Unweit des Platzes liegt die berühmte Muttannabi-Straße, wo 2007 ein Autobombenanschlag 30 Menschen tötete. In der nahegelegenen Rasheed-Straße kam es 2019 zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.
In den letzten fünf Jahren hat sich jedoch viel verändert. Der Irak erlebt eine Phase relativer Stabilität, und Bagdad wurde zur Arabischen Tourismus-Hauptstadt 2025 ernannt - ein Titel, den die Arabische Tourismusorganisation vergibt, die zur Arabischen Liga gehört. Bei der feierlichen Eröffnung im Februar erstrahlte der Platz im Licht von Scheinwerfern und Drohnenaufnahmen, während eine irakische Folkband spielte.
"Durch die Opfer seines Volkes hat der Irak seine bedeutende Rolle auf der Weltbühne zurückerlangt und heißt nun Besucher aus aller Welt willkommen, um seine reiche Geschichte und Kultur zu entdecken", erklärte Premierminister Al-Sudani im Februar in Bagdad und nahm symbolisch den Schlüssel vom Oman entgegen, dem Titelträger von 2024.
Abkehr vom Öl
Wie viele andere ölproduzierende Länder in der Region, möchte auch der Irak seine Wirtschaft diversifizieren. Um langfristig wirtschaftlich stabil zu bleiben, will das Land seine Einkommensquellen breiter aufstellen und gezielt Arbeitsplätze im privaten Sektor schaffen - statt sich weiterhin allzu stark auf die Ölindustrie und den öffentlichen Dienst zu verlassen. Der bislang überwiegend religiös motivierte Tourismus trägt schon jetzt rund drei Prozent zum irakischen BIP bei. Doch die Regierung will diesen Anteil auf zehn Prozent erhöhen, indem sie die vielfältigen touristischen Schätze des Landes stärker in den Fokus rückt.
Dieses Ziel ist - ein Mindestmaß an Stabilität, Sicherheit und moderner Infrastruktur vorausgesetzt - prinzipiell nicht unrealistisch: In Ländern wie Ägypten, Tunesien, Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo der Tourismussektor bereits gut entwickelt ist, macht er zwischen sieben und neun Prozent des nationalen Einkommens aus.
Jährlich pilgern bereits sechs bis zehn Millionen Gläubige vor allem aus dem Iran und der Türkei in den Irak, um die bedeutenden islamischen Heiligtümer des Landes zu besuchen. Seit die Regierung 2021 die Visabestimmungen gelockert und ein Visum bei Ankunft für Bürger aus über 30 Ländern eingeführt hat, gewinnt jedoch neben zumeist schiitischen Pilgern auch der kulturelle und Freizeittourismus an Bedeutung.
Genaue Zahlen sind schwer zu erfassen, da verschiedene Methoden zur Besucherzählung verwendet werden. Doch laut irakischen Tourismusbehörden kamen im vergangenen Jahr rund 400.000 ausländische Gäste, um das Land jenseits religiöser Pilgerstätten zu entdecken.
Ambitionierte Pläne
"Es ist absolut möglich", sagt Ali al-Makhzomy über die ehrgeizigen Tourismusziele des Irak. Al-Makhzomy ist Gründer und Vorsitzender von Bil Weekend (Am Wochenende), einer Reiseagentur für in- und ausländische Touristen. "Tourismus könnte sogar 30 Prozent des irakischen Haushalts abdecken - unter bestimmten Bedingungen natürlich."
Mehrere Voraussetzungen sind da: sechs UNESCO-Welterbestätten, eine außergewöhnliche Gastfreundschaft, atemberaubende Natur und archäologische Schätze aus Jahrtausenden. Dennoch gilt, besonders unter Reisenden aus westlichen Ländern, der Irak oft noch als gefährliches Reiseziel. Vor allem Besucher aus arabischen Ländern könnten den größten wirtschaftlichen Beitrag leisten.
Ein offizieller Besuch von Papst Franziskus 2021 verbesserte das Image des Landes zwar. Doch erst mit dem Golf-Cup 2023 in Basra kamen verstärkt arabische Touristen - nicht nur zu Pilgerstätten, sondern auch zu kulturellen Sehenswürdigkeiten. "Das Turnier hat das Tor für Besucher aus Saudi-Arabien, Bahrain und Kuwait geöffnet", erklärt Diyar Talal vom Iraqi Traveler's Cafe, einer Online-Community mit 100.000 Mitgliedern.
Auch Inlandstourismus blüht auf
Al-Makhzomy gründete sein Unternehmen 2016, nachdem er bemerkte, dass Iraker zunehmend Interesse an ihrer eigenen Geschichte entwickelten - oft aber nicht wussten, wie sie diese erkunden können. Zudem waren viele historische Stätten am Wochenende einfach geschlossen, berichtet er lächelnd.
Heute besuchen monatlich rund 20.000 Iraker Orte wie das antike Babylon. "Es gibt enorme Chancen", sagt er. "Von kulinarischen Erlebnissen bis hin zu Jobs für Fahrer, Reiseleiter und Souvenirhersteller - wer in der Nähe lebt und Andenken verkauft, kann gutes Geld verdienen."
Diese Chancen ergeben sich aus den vielen Lücken im Markt. Während es in Bagdads Muttannabi-Straße zahlreiche Souvenirstände gibt, fehlen an den meisten bedeutenden Sehenswürdigkeiten passende Angebote. Selbst im Irakischen Nationalmuseum, das einige der ältesten Schriftstücke der Welt beherbergt, findet sich im vernachlässigten Museumsshop kaum mehr als eine verstaubte Postkarte.
Ein Insider bringt es auf den Punkt: In staatlichen Einrichtungen "kümmert es niemanden - sie bekommen ihr Gehalt ohnehin", während im privaten Sektor engagierte Unternehmer eigene Ideen verwirklichen.
Fehlende Vision für die Umsetzung
Neben strukturellen Herausforderungen stehen dem irakischen Tourismus noch größere Hürden im Weg. Viele westliche Länder warnen weiterhin vor Reisen in den Irak. Während Staatsbürger der Golfstaaten für Fußballspiele in Basra visafrei einreisen konnten, haben andere Araber oft größere Schwierigkeiten, ein Visum zu erhalten als viele Europäer. Zudem belasten regionale Konflikte - etwa in Gaza - sowie der Klimawandel, der die irakischen Sommer zunehmend unerträglich für Reisende macht, die Entwicklung des Sektors.
Auch wenn einige dieser Probleme schwer zu lösen sind, gäbe es vieles, was verbessert werden könnte, argumentieren Branchenkenner.
"Unser Land braucht eine klare Vision für den Tourismus", sagt Talal vom Iraqi Traveler's Cafe. "Schauen Sie sich Saudi-Arabien an - sie haben die Vision 2030 (Anmerkung der Redaktion: eine Entwicklungsstrategie für das Land, die auch touristische Ziele umfasst). So etwas fehlt uns, und ohne eine solche Strategie wird sich nichts grundlegend ändern."
Auch Ali al-Makhzomy von Bil Weekend fordert eine klare Strategie und Investitionen: "Tourismus ist mehr als Reiseleitungen - es geht um eine ganze Branche, von Hotels und Restaurants bis zur gesamten Infrastruktur. Ohne einen durchdachten Plan der Regierung kann sie nicht wachsen."
Von Cathrin Schaer, 24.03.2025.
Link zum Artikel: https://www.dw.com/de/iraks-ehrgeizige-tourismuspl%C3%A4ne-ein-traum-der-wahr-wird/a-71984551