24/03/2021
Richtungswechsel!
"Spielraum! 7 Wochen ohne Blockaden" heißt die diesjährige Fastenaktion der Evangelische Kirche in Deutschland 7 Wochen Ohne
Für die Stiftskirche Tübingen habe ich einen kleinen Audio-Walk durch Tübingen zur Fastenzeit aufgenommen: https://www.stiftskirche-tuebingen.de/.../fastenspaziergang/
Hier gibt es den Text für Mittwoch, 24. März, inklusive Bibeltext. Bald können wir uns auch wieder gemeinsam auf den Weg durch Tübingen machen. Darauf freue ich mich!...
Karzer der Universität
"Da stand Bileam am Morgen auf und sattelte seine Eselin. Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber, dass er hinzog. Und der Engel des HERRN trat in den Weg, um ihm zu widerstehen. Und die Eselin sah den Engel des HERRN auf dem Wege stehen mit einem bloßen Schwert in seiner Hand. Und die Eselin wich vom Weg ab und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie, um sie wieder auf den Weg zu bringen. Da trat der Engel des HERRN auf den Pfad zwischen den Weinbergen, wo auf beiden Seiten Mauern waren. Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, drängte sie sich an die Mauer und klemmte Bileam den Fuß ein an der Mauer, und er schlug sie noch mehr. Da ging der Engel des HERRN weiter und trat an eine enge Stelle, wo kein Platz mehr war auszuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken. Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, fiel sie auf die Knie unter Bileam. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stecken. Da tat der HERR der Eselin den Mund auf, und sie sprach zu Bileam: "Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast?" Bileam sprach zur Eselin: "Weil du Mutwillen mit mir treibst! Ach dass ich jetzt ein Schwert in der Hand hätte, ich wollte dich töten!" Die Eselin sprach zu Bileam: "Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben?" Er sprach: "Nein." Da öffnete der HERR dem Bileam die Augen, dass er den Engel des HERRN auf dem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht. Und der Engel des HERRN sprach zu ihm: "Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen? Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen; denn der Weg vor mir führt ins Verderben." (Numeri 22, 21-32)
Die kleinen Zellenfenster sehen beängstigend aus. Wie ein Gefängnis eben aussieht. 1525 wurde der Karzer der Universität im Keller der damaligen juristischen Fakultät eingerichtet.
Mit ihrer Gründung hatte die Universität eine ganze Reihe Privilegien bekommen, darunter das der Gerichtsbarkeit über alle ihre Mitglieder.
Am 11. Dezember 1596 meldete Professor Daniel Mögling dem Senat der Universität, man habe auf dem Tisch des Studenten David Leipzig aus Erfurt einen Zettel gefunden, auf dem er seine Seele dem Teufel verschrieben habe. Der junge Mann hatte sich im April an der Tübinger Universität eingeschrieben. Er muss sich sofort kopfüber in ein lustiges Studentenleben gestürzt haben, denn er machte innerhalb kürzester Zeit etwa 200 Gulden Schulden – das entsprach ungefähr dem Jahresgehalt eines Professors. Außerdem galt er als „ungehorsam, unfleißig und leichtfertig“.
Als ihm seine missliche finanzielle Lage über den Kopf wuchs, erinnerte er sich an das Volksbuch des Dr. Faustus und er beschloss, seine Seele ebenfalls dem Teufel zu verschreiben. Der mit Blut unterzeichnete Teufelspakt liegt noch heute im Archiv der Universität.
David Leipzig wurde wegen des Verdachts auf Ketzerei verhaftet und kam in den Karzer. Im protestantischen Württemberg war es kein Schulbubenstreich, mit dem Teufel zu flirten. Aber schon am 20. Dezember, acht Tage nach seiner Inhaftierung, kam David Leipzig wieder frei und wurde über Weihnachten unter Hausarrest gestellt, bis sein Vormund ihn abholte.
David Leipzig dankte dem Senat die milde Behandlung denkbar schlecht: Bereits im Januar 1597 kam er wieder in den Karzer, weil er dem Wirt des Gasthofs „Krone“ silberne Löffel und Becher gestohlen hatte. Der Senat eröffnete jetzt ein reguläres Strafverfahren. Nachdem sich seine Vormünder zur Rückzahlung der Schulden verpflichtet hatten, wurde Leipzig am 16. Februar abgeschoben. Er ging nach Heidelberg, wurde dort Doktor der Medizin und arbeitete später als Leibarzt des Herzogs von Mecklenburg.
Da ist einer, der etwas macht, von dem er weiß, dass es eigentlich nicht in Ordnung ist. Und anstatt irgendwann die Bremse zu ziehen, reitet er sich immer weiter in seine missliche Lage hinein, bis er überhaupt keinen Ausweg mehr sieht.
So wie Bileam, dieser freischaffende Seher, der beschlossen hat, nicht seiner Intuition zu vertrauen. Nicht auf sein Herz zu hören.
Mehr Geld ausgeben als man hat, sich mehr Arbeit aufzubürden als man bewältigen kann, etwas versprechen, das man nicht wird halten können. In die falsche Richtung laufen und nicht mehr bremsen können. Nicht sehen können, dass die einzige Lösung ein kompletter Richtungswechsel wäre.
Erlöse uns von dem Bösen beten wir im Vaterunser. Aber das Böse zu erkennen ist nicht einfach. Manchmal sehen wir es erst, wenn wir schon mittendrin sind. In der Wüste, wie Bileam.
Zum Glück hat Bileam seine Eselin, die ihn ausbremst. Auch David Leipzig hat Glück und wird verhaftet, bevor er noch mehr Unsinn anrichten kann. Eselinnen gibt es viele. Sie sind ärgerlich und nervenaufreibend, aber sie retten uns vor uns selbst. Sie hindern uns so lange daran, noch weiter in die Irre zu gehen, bis unser Kompass endlich wieder nach Norden zeigt. Bileam wird die Hebräer segnen, statt sie zu verfluchen. David Leipzig scheint nach seinem Abenteuer letztendlich wieder zur Vernunft gekommen zu sein und macht eine respektable Karriere.
Manchmal müssen die Spielräume erst fehlen, damit wir merken, dass wir gegen Wände anrennen. Erst dann sind wir in der Lage, die Engel zu sehen, die uns umgeben. Erst dann können wir wieder uns selbst vertrauen. Erst dann können wir wieder auf unser Herz hören.
Der Engel in dir
freut sich über dein
Licht
weint über deine Finsternis.
Aus seinen Flügeln rauschen
Liebesworte
Gedichte Liebkosungen.
Er bewacht
deinen Weg
Lenk deinen Schritt
engelwärts.
Schreibt Rose Ausländer.