19/02/2024
Anbei wie versprochen meine gestrigen Worte bei der Andreas Hofer Gedenkfeier in Meran:
Liebe Freunde in Meran,
liebe Freunde von nah und fern.
Hier auf dieser Bühne haben vor mir schon ganz andere Kaliber, von Landeshauptleuten über Models und Sportler über ihn geredet. Und nun habe heute ich die große Ehre, Danke für diese Einladung!
Ich habe länger überlegt und mich beraten, ob ich die kommende Rede auf Hochdeutsch oder in unserem Dialekt halten soll, vor allem unser aller Fans wegen, und mich dann doch für unseren Dialekt entschieden. Einfach weil ich es für einen Andreas Hofer Gedenktag passender und persönlicher finde.
Jeder, wirklich jeder Mensch auf der Welt, wurde und wird durch sein direktes, persönliches Umfeld geprägt. Besonders vom engsten und ihm vertrautesten. Durch Familie, Freunde, Schule, Land, Vereine, Heimat, Dorf oder auch Stadt. Nicht nur Südtirol kennt Andreas Hofer- und natürlich in einer gänzlich anderen Form, mich scheinbar irgendwie auch, ich möchte mich hier jedoch Gott bewahre nicht auf eine Ebene stellen.
Egal auf welchen Bühnen ich stehe und an welchen Liedern oder Projekten ich grad dran bin, kriege ich sehr schnell sehr viele Rückmeldungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Zu unserem geliebten Land, seiner Schönheit und Natur, seiner Geschichte. Vor allem in persönlichen Gesprächen, nicht selten auch mit Touristen, ist mir folgendes immer wieder aufgefallen. Und das zieht sich in der Tat wie eine Art roter Faden durch die Jahre:
Dass Andreas Hofer bei sehr vielen Leuten für viele Fragen, Geschichten und Wortwechsel sorgt. Egal wie alt diese Leute sind, egal welchen Geschlechts, egal welcher Berufung oder Herkunft.
Und das ist gut so. Andreas Hofer hält den Diskurs über die Geschichte unseres Landes wach und am Leben. Heute vielleicht noch mehr als vor der Zeit dieses unglaublich hohen Tempos, in dem wir leben. Das bedingt alleine schon die moderne Zeit. Heute gibt es - im Gegensatz zu damals, als Andreas Hofer um 1800 gelebt hat - eine weltoffenere Art von Hier und Jetzt-Zeit. Über alle Regionen und Grenzen hinweg. Durchs Zuhören und miteinander Sprechen. Ermöglicht auch durch Medien und Social Media.
Nur genau diese Verfügbarkeit von Information, nimmt uns gerade nicht die Verantwortung ab, uns eigene Urteile zu bilden und nicht nur vorgefertigte Meinungen zu konsumieren.
Das ist auch kein Problem, im Gegenteil. So gelingt „Neue Aufklärung“, nicht Verklärung!
Andreas Hofer hat gegen die Besatzung aus Bayern und Franzosen unter Napoleon gekämpft! Damals hat es Nationalstaaten wie heute, ob Italien, Österreich oder Deutschland, noch nicht einmal gegeben.
Aus unserer Sicht, in einem anderen Licht, schauen wir heute auf Andreas Hofer zurück - auf einen Helden seiner Zeit! Genau deswegen erinnern wir uns heute an ihn.
Jede Zeit hat ihre Helden, sie sind Teil der Kultur und Geschichte. Im Kontext der jeweiligen Zeit und auch darüber hinaus. Für mich ist Andreas Hofer ein Held. Hofer ist 1810 gestorben, also vor über 200 Jahren. Eingesperrt von den Franzosen südlich des Gardasees. Erschossen auf Befehl von Napoleon. Genau diese Geschichte, gepaart mit seinen von ihm angeführten Kämpfen, hallt besonders nach.
Wie ein Mensch denkt und handelt, liegt unweigerlich in seiner Zeit und an seinem Umfeld - und zum Glück wird all das heute um immer neue Einflüsse erweitert. Diese sind oft bereichernd, wirken manchmal sicher auch bedrohlich, verunsichern. Aber es war schon immer so, dass Menschen und damit auch potenzielle Helden gerade in Krisenzeiten darauf reagiert haben. Ja logischerweise genau dann reagieren mussten.
Heute geht das im Dialog, in Form von Diskussionen. Früher waren es Stutzen, Geschosse und vielleicht auch nur Mistgabeln, die die Mittel dieser Auseinandersetzung waren. Heute geht das in Südtirol und den angrenzenden Ländern zum Glück friedlicher und verständnisvoller zu. In vielen anderen Ländern leider nicht.
Jede Gesellschaft, jede Kultur verändert sich, ja auch jeder Verein, wie der Eurige, der Schützenbund. Ob über den Geist der Zeit oder durch die handelnden Personen. Wir stehen im Hier und Jetzt. Das ist der Gang der Zeit, die wir alle aber Tag für Tag mitprägen können. Ja, auch müssen. Mit unseren Zielen, unserer Ansichten, unseren Vorstellungen und unseren Wünschen.
Und auch wenn der Begriff leider für viele einen komischen, zu heroischen Klang haben mag, hat doch jede Jugend und jeder Mensch auf dieser wunderschönen Welt einen oder gleich mehrere Helden. Oder zumindest Vorbilder! Menschen, zu denen man aufschaut, an denen man sich orientiert. Über diese wird auf Schulhöfen gesprochen, in Foren, auch in der Schule gelehrt und in Medien berichtet. Überall auf der Welt. Nur eben auch dort im Kontext unseres heutigen Verständnisses von Demokratie, Freiheit, Rechten und auch Pflichten den Mitmenschen gegenüber.
Ein vielerorts auch umstrittener Held ist Andreas Hofer. Einer, der bei uns als Teil unserer Südtiroler Geschichte aber sehr viel positiver besetzt ist als anderswo. Logisch: Es war ja „unser“ Freiheitskampf damals, weil Andreas Hofer eben von hier kommt, aus dem Passeiertal. Seine große Wirkung hat er damals auch in Tirol entfaltet. Das Andreas Hofer Lied ist DIE Tiroler Landeshymne.
Als mich Roland Seppi, euer Landeskommandant gefragt hat, und den Roland kenne ich schon ewig, ob ich die heutige Andreas Hofer-Rede halten würde, war ich erstmal baff, oder anders, mehr als nur überrascht. Anfangs sogar gewillt, lieber gleich abzusagen. Zu groß die Verantwortung, den richtigen Ton zu treffen, zu groß auch meine eigenen Fehler der Vergangenheit, die mich letztlich dann doch auch zu dem gemacht haben, der ich heute bin.
Ein umstrittener Geist bin ich ebenso. Eine Meinung zu mir haben viele. Und Geschichten gibt es sowieso, manche wahr, manche falsch. Mit mir kann man sprechen, diskutieren, ich bin neugierig, wie andere denken, und wenn jemand mich hinterfragt, weil er sich für die Person und meinen Weg interessiert, antworte ich auch gerne. So wie ich heute hier vor euch stehe oder bei meinen Lesungen zu meinem Buch „Freiheit mit Narben“ das Gespräch suche, um Diskussionen anzuregen.
Vielleicht bin ich auch deshalb heute als Redner hier, und das ist für mich weiß Gott nicht selbstverständlich. Vielleicht bin ich hier, weil ich nicht nur für die Fehler meiner Vergangenheit einstehe, sondern genauso für den Wandel stehe und dafür, dass man als einzelner die Kraft hat, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Und: Nein, „heilig“ bin i deshalb ganz bestimmt nicht.
Doch jetzt zurück zu diesem Helden und meinen Worten über ihn. Andreas Hofer war genau wie jeder andere Mensch kein Mensch, der ohne Fehler war, und das ist gut so. Genau das macht ihn menschlich. Andreas Hofer ist und gilt, das haben die letzten Tage und Wochen einige sehr linke Medien des Landes auch gezeigt, wahrlich als nicht ganz unumstritten.
Ich brauche euch allen nicht erzählen, welche Geschichten sich um ihn ranken, ich erspare euch diese Zeilen. Sie klingen aber jedenfalls gänzlich anders als das, was mir MEINE Eltern und Großeltern, ja auch MEINE Lehrer und Verwandten damals von ihm als mutigen Freiheitskämpfer vermittelt haben.
Fakt ist: Es ist fast Wurscht wer nun was zu wissen scheint oder nicht, Helden werden und müssen wohl irgendwie auch umstritten sein, man kann und soll sich an ihnen reiben. Solange diskutiert wird, ob in der Kultur, in der Musik, im Sport oder sonst wo, ist etwas in Bewegung, wir lernen voneinander, neues kann sich entwickeln.
Helden sind Menschen, die für Großes stehen, die das gemacht haben, was anderen Respekt abringt. Menschen, um die sich Geschichten ranken, Menschen, die das Zeug haben, Herzen zu berühren und viele Leute zu einen, zu begeistern.
Helden stehen zumindest für mich für Charaktere mit Ecken und Kanten, mit Profil, die sich auch gegen Widerstände und ohne dabei auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein für ihre Überzeugung einsetzen, sie sind eben nicht glattgebügelt.
Viele Autoren, Musiker, Rettungskräfte und Helden des Alltags, Ehrenamtler und sogenannte Stars und Sternchen, die unter uns leben oder schon von uns gegangen, sind Leuchtfeuer, Wertevertreter, Hoffnungsgeber. Jeder auf seine Art.
Wie Andreas Hofer zu seiner Zeit. Sie sind für viele Menschen Vorbilder, Leute, die andere begeistern und berühren, die das Prädikat besonders wertvoll verdienen und zu Recht generationenübergreifend Faszination ausüben.
Dass es dabei auch immer Leute geben wird, die exakt aus diesen Gründen gleichermaßen diese Helden des Alltags wie auch geschichtsprägende Persönlichkeiten und traditionsreiche Vermächtnisse ganz anders werten, einordnen oder einfach nur ablehnen, verwundert mich zumindest überhaupt nicht. Dazu habe ich selbst schon zu viele persönliche Erfahrungen gemacht, was die Bereitschaft anbelangt, sich zumindest auf andere Meinungen und Perspektiven einzulassen. Manchmal waren es negative, zum Glück jedoch aber auch viele positive.
Ich schätze unsere Tradition, die Almwirtschaft, das Handwerk und würde mich selbst auch als konservativ beschreiben. Wenn das jetzt hier auch einige verwundern dürfte, die mich hier ja als Rockmusiker sehen. Tradition, Brauchtum und das Selbstverständnis dürfen jedoch der Entwicklung nicht im Weg stehen, so sehe ich das - und deshalb bin ich auf dem Weg nach überallhin.
Sich über andere Menschen zu stellen, andere schlecht zu reden, um besser dazustehen, braucht keinen Mut und ist keine Heldentat. Wenn alle aufeinander zugehen, treffen wir uns in der Mitte. Diese kategorischen Einordnungen wie rechts und links gehen mir wirklich unfassbar auf den Zeiger, weil sie aus meinem Verständnis nur der Spaltung, der Kategorisierung von Menschen dienen.
Rääächts seien alle Schützen, rääächts sei jede Form von Heimatliebe, vermeintlich ewiggestrig, rückwärtsgewandt, voller Angst vor Veränderung und der modernen Zukunft.
Rääächts seinen auch all die Volkslieder, rääächts all die Brauchtumspfleger, räächts wären auch all die Inhalte derer, die die Wertschätzung für Land und Leute, öffentlich zum Ausdruck bringen. Oder sie auch nur in Worten, Liedern, Bildern oder Zeilen mitteilen. Heute scheint dies alles rääächts zu sein und ist von einigen daher nicht akzeptiert und hat einen Stempel abbekommen, der anhaftet.
Heimatliebe verbinde ich aber mit guten Werten, mit Familie, mit Freundschaft, mit einem Gefühl, das man aus der eigenen Kraft heraus auch anderen Menschen weitergeben kann. Heimat verbinde ich mit der Achtung vor der Natur und vor allen Menschen. Generationsübergreifend vorgelebt und weitergegeben, wie in den Familien oder auch in Vereins-Strukturen.
Für mein Buch war ich auf der Suche danach, was „Heimatliebe“ wirklich bedeutet, für mich, für andere, für Leute, die in weiter Ferne zuhause sind. Der gemeinsame Nenner war der: Wichtig ist das warme Herz-Gefühl der Dazugehörigkeit, die Liebe zum Vertrauten, zu Bräuchen, Tänzen, Liedern, Erinnerungen, Glauben, zu Geschichten in Büchern und auf Bildern.
Keine Frage, es braucht eine gesunde Balance aus allem. Für jeden von uns. Eine Balance aus Tradition, Verankerung, Aufgeschlossenheit und Moderne. Als seelisches Rüstzeug für den Umgang mit immer neuen Herausforderungen und den anzunehmenden Einflüssen. Das ist Heimatliebe.
Selbstsicherheit durch Selbstbewusstsein. Sich - selbst - bewusst - sein! Nämlich darüber, wer man ist. Woher man kommt, wie man sein will und was man selbst dazu beitragen kann. Nur wer sich seiner selbst sicher ist, ist überhaupt in der Lage und bereit offen auf Neues zuzugehen. Dies zählt auch zur Hinterlassenschaft von Andreas Hofer und von anderen Volkshelden.
Vertrautheit, schöne Erinnerungen, der Wille für seine Werte, Freunde, für seine Familie, für Umweltschutz, für die Natur, für seine Sprache und seinen Glauben einzustehen, kommen nicht von ungefähr. Sie brauchen Pflege!
Logisch: Andreas Hofer hat unsere moderne Zeit mit ihren Herausforderungen natürlich noch nicht gekannt. Dennoch ist er eine Art Vermittler, auf all das zu achten, was uns verwurzelt. Und uns Halt und Heimat gibt.
Wertschätzung und Dankbarkeit für sein Land und seine Vorfahren, dafür stehen wir, denke ich alle ein. Für eine gesunde Verwurzelung, die der Boden ist, auf dem Veränderungen reifen können - gepaart mit dem realistischen und zuversichtlichen Blick auf die Moderne. Auf unsere Zeit.
Und trotzdem hat Heimatliebe für viele leider einen anrüchigen Klang, vor allem, wenn sie scheinbar anderen dieses Heimatgefühl und eine Zugehörigkeit verwehrt. Was sie aber für mich überhaupt nicht tut. Im Gegenteil.
Ja Freunde, Andreas Hofer, einer der großen Tiroler Persönlichkeiten steht für das, was heute, vielleicht mehr denn je, in Zeiten der Globalisierung wieder erkennbar sein sollte. Und das sich in zig Brandherden der Welt deutlich zeigt: Das menschliche Verlangen und die daraus erwachsende Kraft nach Frieden, Freiheit, Zugehörigkeit und das Recht auf Selbstverteidigung.
Zugehörigkeit, eine Heimat zu haben, einen Rückzugsort sind Grundbedürfnisse - zumindest ganz vieler Menschen. Auch heute noch - oder vielleicht besser gesagt, wieder. Weil die moderne Zeit und die Verantwortung für die Zukunft so viele Herausforderungen an uns alle stellen.
Ich erkenne in Andreas Hofer auch das Gefühl für eigene Kultur und Regionalität und Brauchtum. Denn auch diese standen damals infrage, ebenso die freie Religionsausübung.
Die Unterstützung der heimischen Landwirtschaft zählt mit zum Erbe Hofers, dessen Familie ja immer sehr landwirtschaftsnah lebte. Auch die Wertschätzung des Handwerks natürlich, sowie des Handels, die absolute Notwenigkeit für die großen und über viele Jahre gut funktionierenden, gewachsenen Strukturen einzustehen - ohne sich dabei aber über andere zu stellen. Das ist mir ganz wichtig zu betonen.
Man steht und handelt nie für sich alleine, man handelt in Verantwortung für sich selbst UND für sein Umfeld, für ein größeres Ganzes.
Es zählt, was am Ende bestehen bleibt und als Vermächtnis in die nächsten Generationen getragen wird:
Die Bereitschaft aufzustehen, wenn es notwendig erscheint, auch dann nicht klein beizugeben, wenn ein Scheitern droht, erhobenen Hauptes für sich und seine Mitmenschen einzustehen - und gerade dann den Mund aufzumachen, wenn Schweigen einfacher wäre.
Andreas Hofer, solltest Du das von ganz da oben gehört und gesehen haben, sei dir sicher, dass Deine Werte auch weiter Bestand haben werden.
Und damit und in diesem Sinne bist und bleibst Du einer unserer Helden! Ein Held seiner Zeit, einer Zeit, die die Basis für unser Heute, Hier und Jetzt gelegt hat.
Danke!
https://www.youtube.com/watch?v=AdBmjPTC-D0