12/11/2024
Eine blöde Panne passiert Samstagnachmittag an einer Stelle ohne Empfang. Gegen 14 Uhr fahren Almut und ich zur nächsten Tankstelle, um dort telefonieren zu können. Wir schalten das Team ein, alle helfen tatkräftig mit. Gemeinsam telefonieren wir mit etwa 20 Werkstätten, Pannendiensten und Tieflader-Besitzern. Wir werden fündig. Pedro macht sich auf den Weg zur Unfallstelle. Mitfahrer nehmen Almut bei sich auf, sie wird in den nächsten Tagen die Gruppe leiten, während ich zu den Havaristen zurückkehre, wo ich gegen 17 Uhr eintreffe. Gegen 18:15 Uhr trifft Pedro bereits mit seinem Tieflader ein. Er rackert mehrere Stunden. Zuerst versucht er, das Rad wieder aufzurichten. Der Kerl hat eine unglaubliche Kraft! Plan A scheitert, also Rad komplett abmontieren, defekten Stoßdämpfer entfernen und die Radaufhängung auf ein Wägelchen mit kleinen Pastikrädern hieven. Auch das dauert gefühlt ewig. Um die passende Höhe zu bekommen, wird Holz untergelegt, das Ganze dann mit Spanngurten verzurrt. Mehr Improvisation geht nicht! Währenddessen pfeift ein sehr starker Wind und LKWs rasen an uns vorbei und lassen den Camper schaukeln. Als das Wohnmobil am Haken hängt und auf den Tieflader gezogen wird, halte ich die Luft an. Was, wenn die Konstruktion nicht hält und der Wagen nach links kippt? Nicht auszudenken…! Aber es geht tatsächlich gut. Die nächste Werkstatt auf unserem Weg läge in Río Gallegos. Sie haben wir noch erreicht, aber sie sind nicht motiviert, wollen nicht recht und mit diesem Laden verbinde ich sowieso schlechte Erinnerungen, da sie auf unserer allerersten Tour dort einen groben Fehler gemacht haben. Also entscheiden wir uns, knapp 300km zurück zu fahren nach Comodoro Rivadavia. Bei jedem Windstoß oder Fahrrille schaukelt der Camper bedenklich. Es ist bereits dunkel, als Pedro eine Kaffeepause einlegt. Er hat seinen Kontakt bei Mercedes erreicht, aber der Nachtwächter lässt uns nicht rein. Vor der Werkstatt abladen bringt nichts, denn wie soll der Camper dann Montag ohne Vorderrad in die Halle kommen? Pedro kennt noch einen privaten Sprinter-Spezialisten. Ich lese die Bewertungen auf Google durch und mein Bauchgefühl sagt mir sofort, dass er viel besser ist als die offizielle Mercedes-Vertretung. Mario geht sofort ans Telefon und verspricht uns reinzulassen, egal wie spät es wird. Weit nach Mitternacht kommen wir an. Seine Werkstatt ist klein, aber fein. Den Camper hineinzubringen ist auch nochmal eine Herausforderung. Um 2:30 Uhr falle ich totmüde ins Bett. Am Sonntagmorgen um 9:00 Uhr macht sich Mario an die Arbeit. Er ist mega sympathisch. „Nur für dich mache ich das!“ sagt er mit einem Augenzwinkern. Er baut alles auseinander. Reifen, Bremsstange, Kugellager und Antriebswelle sind beschädigt. Der Stoßdämpfer lässt sich wieder zusammenbauen. Am Mittag wissen wir, was wir alles brauchen. Mario geht Formel 1 gucken und ich strecke schonmal meine Fühler aus, wie wir schnell zu den Teilen kommen. Sprinter gibt es hier jede Menge, aber leider nicht als 4x4. Abends schaut Mario mit seiner Frau Claudia auf ein Glas Rotwein vorbei. Beim Erzählen kommt heraus, dass Mario und ich vor genau 18 Jahren miteinander zu tun hatten. Er war damals Werkstattleiter in Río Gallegos, wo seine Mitarbeiter beim Einbau des Getriebes grobe Fehler gemacht hatten. Das war unsere allererste Tour mit Kunden und ich war noch ziemlich grün hinter den Ohren. Er hatte sich damals auch sehr geärgert. Mario hat mehrere Mercedes-Werkstätten geleitet, bevor er sich vor knapp 15 Jahren selbstständig gemacht hat. Montagmorgen fährt er mit C. und mir sämtliche Ersatzteilläden in Comodoro an. Mercedes selbst hat gar nichts von dem, was wir brauchen. Ein Laden hat das Kugellager, ein anderer die Gummipuffer, die an den Enden der Antriebswelle sitzen. Markus Gruse bringt parallel in Erfahrung, dass das Teil in Deutschland aktuell nicht lieferbar ist. Er bestellt es in Spanien, was aber gute vier Tage dauern wird. Die Antriebswelle bringen wir in eine Schlosserei. Der Betrieb ist vielversprechend. Sebastian möchte uns helfen und nimmt das Teil an sich. Am Nachmittag zeigt uns Mario voller Stolz seinen Garten, wo Äpfel, Birnen, Quitten, Pflaumen, Pfirsiche und Kirschen wachsen. Wir dürfen einen Blick in sein Wohnhaus werfen und seine drei Hunde streicheln. In der Zwischenzeit organisiere ich noch einen mobilen Scheibenreparaturdienst, der sich um zwei Einschläge auf der Windschutzscheibe kümmert. Dann kommt ein mobiler Reifendienst und flickt den platten Reifen von hinten. Der Reifen vorne hat einen Hau weg und muss ersetzt werden. Also Ersatzräder zum Auswuchten und kaputten zum Ersatz in meinen Camper gepackt, um keine Zeit zu verlieren. Jede Minute zählt! Maria hat einen Reifenhändler gefunden, der die passende Größe führt. Nichts wie hin. Kurz vor Feierabend bekommen wir den Reifen, aber Auswuchten können sie nicht. Also einmal weiter. Am Telefon heißt es, kommt morgen wieder. Wir fahren dennoch hin und sagen gaaaanz lieb bitte und siehe da, sie nehmen uns noch dran! Dann der erlösende Anruf, die Antriebswelle seit fertig! Wir fahren vorbei und begutachten die Arbeit. Sensationell, was da geleistet wurde. Zurück bei Mario macht sich dieser gleich an die Arbeit, alles wieder zusammen zu bauen. Um 21:30 Uhr läuft der Mercedes wieder. Mario nimmt viel zu wenig Geld für seine kompetente Arbeit, was Christian und Nikole großzügig aufrunden. Noch ein letztes Foto und ein Geschenk für Mario. Der Abschied ist richtig emotional. Nun heißt es gute 1.400km aufholen bis zur Gruppe. On the road again, juhu!!!!! An dieser Stelle noch ein paar Worte der Dankbarkeit. Hier haben ganz viele Menschen Großartiges geleistet, das Unmögliche möglich gemacht und alle waren so unglaublich bemüht und hilfsbereit! Ohne mein geniales Team und ohne die tollen Menschen in Argentinien wäre diese Lösung in so einer Rekordzeit nicht möglich gewesen. DANKE! Wir fahren noch bis 2 Uhr nachts, am nächsten Morgen sind wir um 6:40 Uhr erneut auf der Straße…ob wir es noch rechtzeitig bis Ushuaia schaffen? Der Tisch fürs King Crab-Essen ist reserviert! Alles ist möglich, wenn man motiviert ist…