22/05/2021
ein Brief an den Landesbeauftragte für den Datenschutz in Baden-Württemberg
=> gerne zur eigenen Verwendung im eigenen Bundesland, da das Vorlage-Problem der Testnachweise nicht nur in BW besteht.
Rüge der Vorlagepflicht für Corona-Testnachweise für Ferienwohnungsvermieter nach § 21 Abs. 8 Satz 2 CoronaVO, hier Verstoß gegen die DSGVO
Sehr geehrter Herr Dr. Brink,
ich bin Vermieter zweier Ferienobjekte in Baden-Württemberg („###" und "###" in ###). Mein Hauptwohnsitz befindet sich ca. ### km bzw. XX km von den Ferienobjekten entfernt.
Die Mietverträge für die Ferienobjekte werden regelmäßig Wochen im Voraus mit einem einzigen Mieter per E-Mail oder Telefonkontakt abgeschlossen. Der Mieter wird von Mietreisenden (z.B. Familienmitgliedern oder Freunden) begleitet oder beherbergt z.B. im Rahmen einer Feier eigene Gäste im Ferienhaus.
Die Vermietung der Ferienhäuser erfolgt ohne Rezeption und Personal vor Ort und kontaktlos. Ein Zugangscode und die Anreiseinformationen werden per E-Mail an den Mieter übermittelt. Personal ist beim Ein- und Auschecken nicht vor Ort.
Im Rahmen der Corona Öffnungsschritte in Baden-Württemberg ist die Vermietung von Unterkünften zu touristischen Zwecken unter einer 7-Tags-Inzidenz von 100 nach § 21 Abs. 1 CoronaVO BW wieder gestattet. Für private Zusammenkünfte in Ferienobjekten gelten für die Gäste die Kontaktbeschränkungen nach § 10 CoronaVO.
Nach § 21 Abs. 8 Satz 2 CoronaVO BW ist der Zutritt nur nach der Vorlage eines Test-, Impf- oder Genesenennachweises bei der Anreise zulässig. Der Testnachweis ist alle drei Tage während der Dauer erneut vorzulegen.
8 ) Der Zutritt zu den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Einrichtungen, Betrieben und Veranstaltungen oder die Teilnahme an Angeboten oder Aktivitäten nach den Absätzen 1 bis 3 ist nur nach Vorlage eines Test-, Impf- oder Genesenennachweises im Sinne des § 5 zulässig und es gilt die Pflicht zur Datenverarbeitung nach § 7 sowie die Pflicht, eine medizinische Maske oder einen Atemschutz im Sinne des § 3 Absatz 1 zu tragen; § 3 Absatz 3 bleibt unberührt. Für Beherbergungsbetriebe und sonstige Einrichtungen, die Übernachtungsangebote gegen Entgelt anbieten, ist die Vorlage des Impf- oder Genesenennachweises einmalig oder des Testnachweises nach Satz 1 alle drei Tage während der Aufenthaltsdauer ausreichend; soweit bei einem Genesenennachweis nach § 2 Nummer 5 SchAusnahmV der Zeitraum von sechs Monaten während des Aufenthalts abläuft, gilt Halbsatz 1 Variante 3 entsprechend.
Die Möglichkeit für Ferienhausmieter, mit einem negativen Test wieder anreisen zu dürfen, ist zu begrüßen. Um eine möglicherweise bei der Anreise eingeschleppte, jedoch noch nicht nachweisbare Infektion mit größerer Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können, erscheint eine Wiederholung des Test nach Anreise sinnvoll.
Die in § 21 Abs. 8 CoronaVO normierte Vorgabe zur „Vorlage“ eines Testnachweises ist in Ferienhäusern und Ferienwohnungen ohne Personal vor Ort („kontaktarmer Urlaub“) regelmäßig jedoch nicht möglich bzw. führt beim Versuch, die Vorgabe zu erfüllen zu erheblichen Verstößen gegen die DSGVO.
Die „Schlüsselübergabe“ bzw. die Zusendung des Zutrittscodes erfolgt regelmäßig per E-Mail an den Mieter. Um einen unerlaubten Zutritt des Mieters zu verhindern, darf die Zusendung nach der novellierten CoronaVO erst nach der Vorlage des geforderten Test-, Impf- oder Genesenennachweises erfolgen.
Es fragt sich nun, wie die Vorlage bei einem Ferienobjekt ohne Personal vor Ort praktisch erfolgen soll?
Möglicherweise könnte der Mieter und seine Mitreisenden und Gäste alle Nachweise per E-Mail oder Whatsapp an den Vermieter übermitteln und damit im Sinne der Verordnung „vorlegen“. Wobei hier fraglich ist, ob eine derartige Übermittlung und damit einhergehende automatische Datenspeicherung von besonders geschützten gesundheitsbezogenen persönlichen Daten überhaupt gestattet ist.
In der DSGVO (Art. 4 Nr. 15) sind gesundheitsbezogene Daten erläutert als:
„Gesundheitsdaten“ sind demnach personenbezogene Daten, „die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen“.
Gesundheitsdaten gehören nach dem BDSG und auch nach der EU-DSGVO zu der besonderen Kategorie personenbezogener Daten. Für alle Daten dieser Kategorien, also auch für Gesundheitsdaten, gilt eine besondere Schutzbedürftigkeit.
Personenbezogenen Daten in Verbindung mit einem Test-, Impf- oder Genesenennachweis sind zweifelsfrei dem besonderen Schutzbereich der Gesundheitsdaten unterworfen.
Hieraus ergibt sich ein grundsätzliches Verbot der Verarbeitung dieser Daten. Die Verarbeitung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (Art. 9 2a-j DSGVO). Entweder willigt die betroffene Person ein oder es bestehen gesetzliche Rechtfertigungsmöglichkeiten.
§ 7 „Datenverarbeitung“ CoronaVO lässt eine Speicherung personenbezogener Daten wie Vor- und Nachname, Anschrift, Datum und Zeitraum der Anwesenheit und, soweit vorhanden, die Telefonnummer zu. Die Speicherung von Gesundheitsdaten ist nicht vorgesehen.
Mithin scheitert eine Vorlage der Test- Impf- und Genesenennachweises per E-Mail oder Signal/Whatsapp an dem sich aus der DSGVO und der EU-DSGVO ergebenden Speicherungs- und Verarbeitungsverbot.
Eine persönliche Vorlage der Testnachweise des Mieters, seiner Mietreisenden und/oder Gäste beim Vermieter nicht am Ferienobjekt ist weder dem Mieter und seinen Gästen zuzumuten, noch ist es dem Vermieter zuzumuten vor Ort an das Ferienobjekt zu fahren, um sich dort die Testnachweise der Mieter vorlegen zu lassen.
Ganz nebenbei würde das auch daran scheitern, dass sehr oft einzelne Mieter bzw. Gäste des Mieters zu unterschiedlichen Zeitpunkten oder sogar zu unterschiedlichen Tagen anreisen.
Tatsächlich könnte der Mieter entsprechend dem Mietervertrag auch nach dem „Vorlegen“ eines oder mehrerer Testnachweise und der sich daran anschließenden „Schlüsselübergabe“ jederzeit weitere Gäste und Mitreisende im Ferienobjekt aufnehmen oder diesen den Zutritt gestatten, so dass es den Vermietern sachlich gar nicht möglich ist, einen Zutritt zur Ferienwohnung in jedem Fall nur nach Vorlage eines Testnachweises zu gestatten.
Unter Berücksichtigung dieser Punkte erscheint es unverhältnismäßig, die Vermieter von Ferienwohnungen dazu zu verpflichten, einen Zutritt nur nach Vorlage eines Testnachweises zu gestatten.
Darauf aufbauend ist es unklar, ob dem Vermieter einer Ferienwohnung bei der Vorlage eines Nachweises durch den Mieter per E-Mail oder über einen Messenger wie Signal/Whatsapp ein Bußgeld oder ein Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO drohe. Weiterhin ist es unklar, ob dem Vermieter ein nicht unerhebliches Bußgeld auferlegt oder ein Strafverfahren eingeleitet wird (§ 27 CoronaVO BW) wenn der Mieter seinen Mitreisenden oder seinen Gästen ohne die Vorlage eines Nachweises Zutritt zum Ferienobjekt gewährt.
Aus dem Bestimmheitsgebot nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) ergibt sich, dass der Normgeber seine Regelungen so genau fassen muss, dass der Betroffene die Rechtslage (Inhalt und Grenzen der Gebots- oder Verbotsnormen) erkennen und sein Verhalten daran ausrichten kann. Es ist eine hinreichende Bestimmtheit und Klarheit der gegenständlichen Norm zu fordern. Der Betroffene muss im Ergebnis die Rechtslage in zumutbarer Weise erkennen können. Das ist den Normadressaten aufgrund der Formulierung in § 21 Abs. 8 Satz CoronaVO BW nicht möglich.
Die Normierung nach § 21 Abs. 8 Satz 2 CoronaVO BW ist durch den Verstoß gegen das Bestimmheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) rechtswidrig.
Eine tatsächliche, wie in der CoronaVO BW normierte, „Zutrittskontrolle“ ist bei privaten Vermietern von Ferienhäusern und Ferienwohnungen ohne Personal vor Ort schon aus praktischen Gründen tatsächlich nicht möglich und würde dem Vermeiden von unnötigen Kontakten im Rahmen des „kontaktarmen Urlaubs“ widersprechen. Der Vermieter muss sich hier auf die Angaben der Gäste und die Einhaltung der geltenden Vorschriften durch die Gäste verlassen.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Normgeber hier offenbar grundsätzlich von einem normwidrigen Verhalten von Übernachtungsgästen ausgeht und daher den Vermietern eine in der Praxis nicht umsetzbare Kontrollpflicht auferlegt.
Es wäre im Sinne des Infektionsschutzes ausreichend, wenn Übernachtungsgäste verpflichtet werden, nur mit einem durchgeführten (Selbst-) Test-, Impf- oder Genesenennachweises anzureisen und den Zutritt nur anderen Mitreisenden und Gästen zu gestatten, die ebenfalls einen Test durchgeführt haben oder einen Impf- bzw. Genesenennachweis mit sich führen.
Ich bitte Sie Herr Dr. Brink, sich in Ihrer Funktion als Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg, bei der Landesregierung für eine praxisgerechte und DSGVO konforme Anpassung der entsprechenden Bestimmungen in der CoronaVO Baden-Württemberg einzusetzen.